"Solche perfiden Spielchen kennt man aus der Politik"

12. Februar 2019 in Kommentar


"Das Vorgehen der Frankfurter Clique um zu Eltz ist ein trauriges Beispiel dafür, wie man Opfer durch Instrumentalisierung erneut mehrfach missbraucht" - Ein kath.net-Kommentar von Martin Wind


Linz (kath.net)
Geht es Ihnen inzwischen auch so, dass Sie sich mit einem gewissen Ekelgefühl abwenden, wenn sie kirchenoffizielle Verlautbarungen oder deren Wiedergabe in manchen Medien lesen? Oder wenn Sie das Empfinden bekommen können, dass die immer gleichen Randgruppen das Thema „sexuellen Missbrauch“ dazu missbrauchen, ihre egoistischen Vorstellung von Kirche gegen einen großen Teil der 1,3 Milliarden Katholiken durchsetzen zu wollen?

Das Vorgehen der Frankfurter Clique um zu Eltz ist ein trauriges Beispiel dafür, wie man Opfer durch Instrumentalisierung erneut mehrfach missbraucht. Oder wenn zu beobachten ist, dass derzeit amtierende Amtsträger das „Versagen“ – zum Teil schon verstorbener – Vorgänger auf offener Bühne betonen?

Drängt sich da nicht der Eindruck auf, die Amtsinhaber wollen sich aus dem Brennpunkt öffentlicher Beobachtung schleichen, zumindest dann, wenn diese Vorgänger nicht als aktive Missbrauchstäter überführt sind? So ist das unter anderem in Hildesheim und in Freiburg geschehen und so wird das gerade in Mainz praktiziert. Es ist so unangenehm wohlfeil, zeitbedingte Fehlverhalten aus der Rückschau derart anzuprangern. Gleichwohl: Es zeigt, wie gefährlich es ist, sich jeder gesellschaftlichen Modeströmung widerstandslos hinzugeben und dafür die Lehre der Kirche zu verwässern oder gar zu leugnen.

Es ist meine berufsbedingte Charakterdeformation, mich vom äußeren, schönen Schein und von wohlgesetzen Worten nicht blenden lassen zu wollen. Je schöner und je wohlgesetzter, umso mehr stellen sich bei mir alle Nackenhaare und ich beginne mich um einen Blick hinter diese Fassade zu bemühen. Das ist belastend, hilft aber bei der Berufsausübung. Manchmal schieße ich dabei übers Ziel hinaus. Leider lässt mich dieses Sensorium meistens nicht im Stich. Früher oder später hebt sich der Dunst offizieller Verlautbarung und die Wahrheit steht nackt im gleißenden Licht. Da frage ich mich oft, ob Mitarbeiter, Berater und vor allem Sprecher in den Zentralen der Amtsträger von der Wahrheit nichts wussten oder die Amtsträger falsch beraten. Denn früher oder später kommt immer alles raus. Alles!

Jetzt können Sie eventuell verstehen, dass mir beim Lesen der Texte der jüngsten fliegenden Pressekonferenz unseres Papstes Franziskus, ein Stich durch den Magen ging. Er lobte in schönen Worten Papst emeritus Benedikt XVI. und dessen Kampf gegen sexuellen Missbrauch. Warum stieß das sauer auf? Es gibt eine rhetorischen Kniff: Man kritisiert nicht, was man kritisieren will, weil sich das nicht schickt. Man geht den Umweg über ein Lob für diejenigen, die es anders gemacht haben. Dann erkennt jeder, dass die Aussage des vermeintlichen Lobes, eigentlich eine Kritik des Unerwähnten ist. Solche perfiden Spielchen kennt man aus der Politik. Viele Menschen sind ihrer überdrüssig. Daher sollten wir annehmen, dass die Öffentlichkeitsarbeiter des Papstes, ihn nicht zu einer solchen Strategie verführt haben. Immerhin ist er unser Papst und man unterstellt ihm schon alleine des Amtes wegen Offenheit, Transparenz, Glaubwürdigkeit und Wahrhaftigkeit.

Im Vatikan sollte man jetzt sehr vorsichtig sein: Denn Papst Franziskus lobt seinen Amtsvorgänger nicht nur. Der amtierende Bischof von Rom bedauerte auch, dass der damalige Präfekt der Glaubenskongregation mit seinem Bemühen seinerzeit „Rückschläge“ im Kampf gegen den sexuellen Missbrauch erlitten habe. Für einen Präfekten der Glaubenskongregation gibt es nur eine weltliche Instanz, die ihn letztlich „stoppen“ kann: einen amtierenden Papst. Und so wird zwangsläufig der heilige Papst Johannes Paul II. ins Spiel gebracht. Er war der Dienstherr des Präfekten Ratzinger. Diese Erwähnung will man daher als praktizierender Katholik schlicht nur als „Ungeschicklichkeit“ verstehen.

Kaum jemand wird seiner Heiligkeit unterstellen wollen, dieser baue für die Sonderkonferenz aller Vorsitzenden der nationalen Bischofskonferenzen vom vom 21. bis 24. Februar 2019 langsam aber sicher einen wohlfeilen Sündenbock auf. Es ist schlicht unvorstellbar, dass Amtsträger der Kirche mit Johannes Paul II. mehr oder weniger subtil eine Strohpuppe ins Zwielicht öffentlicher Betrachtung des sexuellen Missbrauchs in der Kirche rücken wollen oder werden. Der Vorteil einer solcherart perfiden Strategie liegt aber auf der Hand und käme einigen Kreisen sehr gelegen: Vom eigentlichen Kernproblem – dem Nichtbeachten der kirchlichen Sexualmoral - wird abgelenkt. Jetzt ist plötzlich ein Amtsträger für die Folgen des sexuellen Missbrauchs hauptverantwortlich, nicht die Täter, die man seit Jahrzehnten nicht entsprechend ihrer sündigen und strafbaren Taten behandelt.

Können Sie sich vorstellen, dass Papst Franziskus ein solch durchtriebenes Spiel mit uns Katholiken treiben wird? Er wäre meiner Meinung auch gut beraten, auch nur jeglichen Versuch rigoros zu unterbinden, den Fokus der Wahrnehmung des Skandals auf einen einzelnen Sündenbock zu lenken. Und er wäre sehr gut beraten – leider wieder einmal – seine Worte gerade bei diesem traurigen Thema sehr gut und klug zu wägen, damit nicht auch sie – leider wieder einmal - missbraucht werden können. Man sollte beten, dass das dieses Mal gelingt."


Foto: (c) Bistum Limburg


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